Was im Leben glücklich macht, ist von der herrschenden Kultur abhängig. In einem Grundsatzpapier haben sich Forscher der unterschiedlichsten psychologischen und soziologischen Fachrichtungen mit den Folgerungen dieser Erkenntnis beschäftigt. Sie kamen zu der Einsicht, dass eine mehr globale Sicht auf das Thema des Wohlbefindens erforderlich ist. Die Forscher haben dazu konkrete Ideen und Vorschläge entwickelt.
Alles in allem reflektieren diese Überlegungen ein reicheres Verständnis von Wohlbefinden. Sie gehen deutlich über das hinaus, was mit dem Begriff der Lebenszufriedenheit ausgedrückt werden kann. Diese Anregungen schließen sowohl hedonistische als auch eudaimonische Aspekte ein. Sie erfassen sowohl soziales Wohlbefinden als auch die Rolle der Gemeinschaft und der Regierungsführung.
Diese neuen Faktoren sollen in die Gallup Welterhebung (Gallup World Poll – GWP), die jährlich erstellt wird, eingehen und den „Weltbericht über Wohlbefinden“ („World Wellbeing Report“) noch aussagekräftiger machen.
Diesen Ergänzungen gingen einige grundsätzliche Überlegungen und Einsichten voraus. Eine erste kritische Fragestellung setzt daran an, dass es wenig aussagekräftig ist, allein das Bruttoinlandprodukt (GDP) als Indikator für Wohlstand zu nehmen. Der Marktwert von Waren und Dienstleistungen sagt uns wenig über individuelles Wohlbefinden und Glück aus. Offen bleibt auch, wer von einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts letztlich profitiert. Kosten für die Umwelt und die Gesundheit sind gleichfalls nicht kalkuliert. Besonders Vertreter der Positiven Psychologie fordern eine stärkere Hinwendung zur psychologischen Verfassung von Individuen. Geld ist eben nicht alles was zählt. Solche Faktoren wie Gleichheit, Aufstiegschancen und das Gefühl von Respekt können umfassender zeigen, was in Gesellschaften vor sich geht. Das leisten Angaben zum Bruttoinlandprodukt nicht.
Stärker hervorgehoben soll auch die Fragestellung werden, warum Wohlbefinden überhaupt wichtig ist? Es gibt eben viele Gründe, warum Wohlbefinden zählt. Individuen, die glücklich sind, zeigen mehr Mitgefühl, besitzen mehr Empathie und zeichnen sich durch ein umfangreicheres soziales Verhalten aus. Solche Menschen leben in der Regel gesundheitlich bewusster und leben länger. Im Beruf sind sie produktiver und haben weniger Ausfallzeiten.
Ein dritter Problemkreis betrifft die Gallup Welterhebung (GWP) generell. Sie enthält eine Kernkomponente der Untersuchung, die seit 2005 darauf gerichtet ist, das Spektrum des Wohlbefindens zu erfassen. Das reicht von der „Cantril-Leiter“ (Bewertungen auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 10 der Bestwert ist) bis hin zur Messung von Affekten und der täglichen Erfahrungen von Individuen. Die gegenwärtige Initiative zielt darauf ab, den Kerninhalt der Befragungen zu erweitern und Lücken in der Glücksforschung zu füllen, die besonders Erkenntnisse und Ansichten von Forschern östlicher Kulturkreise in Rechnung stellen.
Das alles führt zu der Einsicht, dass inhaltliche Zusätze bei der Messung des weltweiten Wohlbefindens erforderlich sind. Hinzu kommt, dass die empirische Forschung ständig neue Erkenntnisse liefert. Besonders die Forschung außerhalb des westlichen Kulturkreises hat in den letzten Jahren spürbare Fortschritte gemacht. Sie hat dabei einen hervorstechenden Mangel in der interkulturellen Diversität in der Wissenschaft und der Messung von Wohlbefinden sichtbar werden lassen.
Diese interkulturellen Differenzen beeinflussen zum Beispiel wie Gesellschaften das Selbst definieren. Im Westen herrscht hier der Individualismus vor. Im östlichen Kulturkreis ist dazu im Gegensatz der Kollektivismus dominant. Hier geht es um eine Lebenshaltung, wo Selbstwahrnehmung wechselseitig ist und es als zentralen Wert darum geht, Beziehungen aufrechtzuerhalten, soziale Rollen auszufüllen und sich dem kollektiven Wohl unterzuordnen.
Hauptgegenstand vieler Untersuchungen im Westen sind mit „WEIRD“-Gruppen durchgeführt worden. Die Buchstaben stehen für weiße, gebildete, aus industriellen Ländern stammende, verhältnismäßig reiche und aus demokratischen Ländern kommende Gruppen von Menschen Diese westliche Zentrierung erfasste in der aktuellen Forschung nur einen geringen Teil der Weltbevölkerung. Sollen Erhebungen zum Wohlbefinden allgemeingültig sein, müssen die empirischen Recherchen dazu spürbar auf alle Kulturen ausgeweitet werden.
Davon ausgehend wurden neun Vorschläge erarbeitet, die stärker kulturelle Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der verschiedenen Kulturkreise berücksichtigen.
Quelle: https://www.internationaljournalofwellbeing.org/index.php/ijow/article/view/1037/877
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