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Resilienz: Von der Fähigkeit, ein Flummi zu sein

Aktualisiert: 25. Sept. 2024


„Ich glaube nicht ans Scheitern. Es ist kein Scheitern, wenn du den Prozess dahin genossen hast.“

(Oprah Winfrey, US-Talkmasterin)


Oprah Winfreys Lebensgeschichte steht für Resilienz. Gemeinsam mit ihren beiden Geschwistern wächst Oprah im Milwaukee der 1960er Jahre auf. Der Alltag ist geprägt von Armut, Langeweile, Perspektivlosigkeit. Die alleinerziehende Mutter ist überfordert, viele Tage, so schildert es die „Queen of Talk“ später, verbringt sie mit ihren Geschwistern vor dem Fernseher oder lümmelt auf der Straße rum. Oprah erlebt Missbrauch, wird im Alter von 14 Jahren schwanger, lernt ein Amerika des Rassismus und Sexismus kennen. Dennoch geling Oprah eine beispiellose Karriere.

 

Nach ihrem Highschool-Abschluss arbeitet die junge Frau bei einem lokalen Nachrichtensender in Nashville. Oprah beweist Biss und Neugierde. Ihre Interviews sind anders. Oprah leiht denen ein Ohr, die nicht gehört werden. Sie berichtet über Mordfälle, Prostitution, Outings im damals konservativ geprägten US-Amerika. Der endgültige Durchbruch gelingt ihr 1986 25 Jahre lang ist sie anschließend mit der Oprah Winfrey Show auf Sendung, interviewt Top-Gäste wie Michael Jackson und Prinz Harry. Eine vielleicht viel zu selten gehörte weibliche Perspektive des American Dream“ – oder einfach ein Beispiel für „Resilienz.


Ein viel gebrauchtes Wort, welches vom lateinischen Begriff „resilire” abstammt und so viel wie  wie „zurückspringen“ oder „abprallen“ bedeutet. Der Begriff wurde ursprünglich in der Physik verwendet, um die Fähigkeit eines Materials zu beschreiben, nach Verformung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzukehren wie ein Flummi quasi, der immer und immer wieder an seinen Ausgangspunkt zurückspringt. Im übertragenen Sinne wird Resilienz heute für psychologische und soziale Zusammenhängen verwendet. Hier beschreibt der Begriff die Fähigkeit einer Person, schwierige Lebenssituationen und Herausforderungen zu bewältigen, sich anzupassen und – im besten Fall – sogar so etwas wie „posttraumatisches Wachstum“ zu erleben, also gestärkt aus einer Krisenzeit hervorzugehen. Wie ein elastisches Material ist also ein resilienter Mensch sehr wohl verletzlich, er zerbricht aber nicht, sondern besitzt die innere Stärke sich anzupassen, zu lernen und zu erholen.


Die Resilienzfaktoren:


Wissenschaftlich betrachtet zahlen verschiedene Faktoren auf die menschliche Resilienz ein, darunter in besonderem Maße soziale Beziehungen. Eine der größten längsschnittlichen Untersuchungen zum Thema Resilienz stammt von der Psychologin Emmy Werner, die 1955 auf der Insel Kauai begann. In ihrer Studie untersuchte sie 698 Kinder, die alle im selben Jahr auf Kauai geboren wurden, über mehrere Jahrzehnte hinweg und nahm die Auswirkungen von biologischen, psychologischen und sozialen Risikofaktoren auf die Entwicklung der Kinder in den Blick.

Ein zentrales Ergebnis ihrer Forschung bestand darin, dass Resilienz trotz Widrigkeiten entwickelt werden kann: etwa ein Drittel der Kinder, die unter schwierigen Bedingungen aufwuchsen (z. B. Armut, familiäre Instabilität, Missbrauch), schafften es trotzdem, zu gesunden und (ökonomisch) erfolgreichen Erwachsenen heranzuwachsen. Werner identifizierte dabei im Wesentlichen drei schützende Faktoren, die aktiv zur Resilienz der untersuchten Kinder beitrugen:

 

  • Stabile, unterstützende Beziehungen: Kinder, die eine enge Bindung zu mindestens einem fürsorglichen Erwachsenen hatten, sei es ein Elternteil, Familienangehöriger oder eine Lehrkraft, zeigten eine höhere Resilienz.

  • Persönliche Eigenschaften: Resiliente Kinder zeichneten sich oft durch positive Eigenschaften wie eine optimistische Lebenseinstellung, Selbstwertgefühl und die Fähigkeit zur Selbstregulation aus.

  • Soziale Unterstützung und Ressourcen: Der Zugang zu unterstützenden Netzwerken und Gemeinschaftsressourcen, wie Schulen und sozialen Diensten, spielte eine wichtige Rolle.


Resilient gegen Resilienz? Die Rolle struktureller Dimensionen

 

Damit ergibt sich die Brücke von Forschung zu PP-Praxis und die Notwendigkeit unterstützender Systeme in der Bildungs-, Schul-, und Sozialarbeit. Hilfsangebote und Interventionen sind also insbesondere für Heranwachsende bedeutsam dafür, ein erfülltes und resilientes Leben gestalten zu können. Im Kontext der vierten Welle der Positiven Psychologie bedeutet dies, dass Resilienz auch strukturell gedacht werden muss in Schulen, Unternehmen, Gesellschaften, Nachbarschaften. Denn auch die best ausgeprägte Widerstandsfähigkeit trägt nicht, wenn die Anforderungen unseres Alltags unsere Ressourcen dauerhaft übersteigen.

 


Quellen


Kunzler, A. M., Gilan, D. A., Kalisch, R., Tüscher, O. & Lieb, K. (2018). Aktuelle Konzepte der Resilienzforschung. Nervenarzt/˜der œNervenarzt, 89(7), 747–753. https://doi.org/10.1007/s00115-018-0529-x


Werner, E. E. (1992). The children of Kauai: Resiliency and recovery in adolescence and adulthood1. Journal Of Adolescent Health, 13(4), 262–268. https://doi.org/10.1016/1054-139x(92)90157-7

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