Die Unsicherheiten angesichts von Klimakriese, Krieg und Hunger in der Welt sind unübersehbar. Normalerweise ist man bestrebt, eine unsichere Situation im persönlichen Leben zu beseitigen und aufzulösen. Angesichts der weltweiten Ausmaße der Krisen und der damit verbundenen Unsicherheiten ist der einzelne relativ machtlos. Natürlich kann man Energie sparen und sich umweltbewusst Verhalten. Die Auswirkungen dieses Handelns sind aber im Verhältnis zu den weltweiten Herausforderungen mehr als begrenzt.
Eine kurzsichtige Schlussfolgerung aus dieser Situation könnte sein, dass wir uns darauf konzentrieren, vollständig im heute zu leben und nach Glück und Wohlbefinden zu streben. Morgen ist danach etwas, womit wir uns morgen beschäftigen. Wir könnten uns sagen, dass wir das endgültige Ergebnis der Krisen, bis ihr Ergebnis vorliegt, nicht kennen. Morgen wird kommen. Nur über das Heute können wir aber bestimmen und hier sinnvoll und positiv leben, unsere Stärken entwickeln und glücklich leben.
Angesichts der Fülle von Problemen, mit denen wir als Menschen konfrontiert sind, erscheint dieses Herangehen nur bedingt empfehlenswert. Die meisten genannten Krisen haben nicht nur Ergebnisse in der Zukunft, sondern sind schon in der Gegenwart unübersehbar und haben Wurzeln in der Vergangenheit. So können Waldbrände das Feriendomizil zerstören, in das wir uns vor der Welt zurückziehen wollen. Flugzeugflüge, um die Familie zu besuchen oder ein Urlaubsziel zu erreichen, sind von Streichung bedroht. Eine Reihe von Sportarten in der Natur müssen an bestimmten Orten ausfallen, weil kein Schnee mehr da ist oder Flüsse kein Wasser mehr führen. Aber vor allem ist heute der einzige Moment, in dem wir Wege gehen können, die Zukunft zu verändern, uns stark zu machen für Themen wie Nachhaltigkeit, Frieden und gesellschaftliches Miteinander.
Die Aufzählung bestehender und zukünftiger Krisen ließe sich beliebig fortsetzen. Es ist daher geboten, nach Wegen zu suchen, wie man mit der Unsicherheit und Ungewissheit im Gefolge dieser schwierigen Entwicklungen psychisch umgeht, um handlungsfähig zu bleiben und Einfluss ausüben zu können.
Stärkung des Selbstmitgefühls (self-compassion)
Ein wichtiger Schritt kann darin bestehen, das eigene Selbstmitgefühl zu stärken, d.h. sich zu vergewissern und zu sagen, dass Sorgen, Angst und Stress integraler Bestandteil unseres individuellen Lebens sind. Ob man diese Stärkung des Selbstmitgefühls im Gespräch mit Vertrauenspersonen vertieft, seine Gedanken dazu notiert oder einen anderen Weg beschreitet, hängt von jedem selbst ab.
Ausprägung von Praxisakzeptanz
Ein nächster Schritt könnte sein, sich klar darüber zu werden, dass das Erleben von Ungewissheit Teil der menschlichen Existenz, Teil der menschlichen Geschichte ist. Hier geht es in der Endkonsequenz darum, in unserem Inneren zu akzeptieren, dass es Entwicklungen gibt, die wir nicht beeinflussen und kontrollieren können, auch wenn wir das wollten. Das ist natürlich leicht daher gesagt und kann als Ausrede verstanden werden, nicht das Mögliche in einer konkreten Situation zu unternehmen. Gemeint ist aber, diese Akzeptanz zu verinnerlichen und als ein Bollwerk gegen ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit verfügbar zu haben.
Verankerung in der Gegenwart
Das Bewusstsein in der Gegenwart zu leben, gehört zu den Antworten, um dem Gefühl von Ungewissheit zu begegnen. Die Zukunft ist offen. In der Gegenwart verankert zu sein, ist daher unverzichtbar, um nicht von den Unwägbarkeiten zukünftiger Ereignisse erfasst und entwurzelt zu werden und damit in die Handlungsunfähigkeit zu rutschen, die negativen Entwicklungen Vorschub leistet. Dabei geht es aber nicht um die oben genannte Verabsolutierung der Gegenwart. Eine solche Verankerung in der Gegenwart setzt sehr wohl das Wissen voraus, dass diese Gegenwart Teil eines Prozesses ist, der eine Geschichte und eine Zukunft hat.
Reflektion vergangener Erfahrungen
Die meisten von uns haben schon Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht, die uns mit dem Gefühl der Ungewissheit konfrontiert haben. Gewöhnlich haben wir diese Erfahrungen verdrängt und weitergemacht wie bisher. Diese Erfahrungen sind aber ein Schatz, den es zu heben gilt. Es geht darum, darüber nachzudenken, welche Fähigkeiten und Stärken wir in den zurückliegenden Situationen eingesetzt haben, um die Phasen der Unsicherheit zu überwinden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden uns helfen, solche Ungewissheiten in der Zukunft besser zu verarbeiten und zu meistern.
Praktizierung von selbstfürsorglichen Routinen
Angesichts der genannten Probleme ist es nützlich, sogenannte Self-Care-Routinen zu haben und zu praktizieren. Hier geht es darum, regelmäßig Pausen zu machen und sich zu fragen, wie entspanne ich jetzt und was gibt mir in diesem Moment ein Gefühl der Erleichterung.
Entwicklung eines Planes zur Meisterung von Ungewissheit
Wenn man die vorangegangenen Anmerkungen betrachtet, scheint es möglich, einen Plan zu machen, wie man mit Ungewissheiten umgeht und sie beherrschbar macht. Dieser Plan sollte Antworten auf die genannten Fragestellungen des Selbstmitgefühls, der Praxisakzeptanz, der Verankerung in der Gegenwart, der selbstfürsorglichen Routinen und der Reflektion vergangener Erfahrungen enthalten.
Ein konstruktiver Umgang mit der Ungewissheit ist heute angesichts der vielen Probleme in der Welt eine wichtige Voraussetzung, um ein gelingendes Leben führen zu können und sich dafür einzusetzen, dass die Probleme von heute zu den Lösungen von morgen werden. Die Positive Psychologie ist herausgefordert, ihre Forschung auf diesem Gebiet zu verstärken und weitere Antworten dazu zu finden, wie wir trotz der genannten Unsicherheiten eine Balance in unserem Leben finden, von der aus wir auch in Zukunft ein erfülltes Leben für alle ermöglichen können.
Quellen:
https://www.psychologytoday.com/intl/blog/traversing-the-inner-terrain/202008/dealing-uncertainty
https://thewellnesssociety.org/how-to-deal-with-uncertainty-6-tips-from-a-psychologist/
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