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Hochsensibilität: Eine wissenschaftliche Perspektive auf die Fähigkeit, wahrzunehmen

Aktualisiert: vor 7 Tagen



„Mir kommt es vor, als wäre mein Herz aus Seidenpapier. Ich wünschte, die Welt würde vorsichtiger mit ihm umgehen.“

(Richelle E. Goodrich)

 

„Stell dich nicht so an“, „Mimose“ oder aber über- oder scheinsensibel. Im medialen Diskurs begegnet uns das Thema „Hochsensibilität“ quasi nonstop ein Begriff, der in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erhalten hat. Biologisch betrachtet nehmen Menschen, die als hochsensibel gelten, ihre Umwelt intensiver wahr und verarbeiten Reize auf einer tieferen Ebene. Doch was bedeutet Hochsensibilität genau und wie lässt sie sich wissenschaftlich einordnen? 

 

Hochsensibilität – eine Definition 

Hochsensibilität beschreibt eine Eigenschaft des Nervensystems, bei der Reize wie Geräusche, Licht, Emotionen oder soziale Interaktionen besonders intensiv wahrgenommen werden. Diese Intensität hat sowohl positive als auch herausfordernde Aspekte. Geprägt wurde der Begriff maßgeblich von der US-amerikanischen Psychologin Elaine Aron, die den Begriff „Highly Sensitive Person“ (HSP) erstmals in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht hat. Hochsensibilität ist keine psychische Störung, sondern eine normale wenngleich weniger verbreitete Variation menschlicher Wahrnehmung und Verarbeitung. Schätzungen zufolge sind etwa 15 bis 20 % der Bevölkerung hochsensibel. 


Die Forschung von Elaine Aron 

Elaine Aron, eine Pionierin auf diesem Gebiet, begann in den 1990er Jahren mit der Erforschung von Hochsensibilität. Sie entwickelte ein umfassendes Modell und eine Skala, um hochsensible Menschen zu identifizieren. Ihre „Highly Sensitive Person Scale“ (HSP-Skala) basiert auf vier Kernmerkmalen, die sie mit dem Akronym DOES beschreibt: 


  1. Depth of Processing (Tiefgehende Verarbeitung): Hochsensible Menschen analysieren und reflektieren Informationen intensiver. Sie denken oft über komplexe Zusammenhänge nach und erkennen subtile Details. 

  2. Overstimulation (Reizüberflutung): Aufgrund ihrer intensiven Wahrnehmung können hochsensible Menschen in einer hektischen oder lauten Umgebung schnell überwältigt werden. 

  3. Emotional Reactivity and Empathy (Emotionale Reaktivität und Empathie): Sie reagieren stärker auf emotionale Reize, sowohl positive als auch negative, und zeigen eine ausgeprägte Empathie für andere

  4. Sensitivity to Subtle Stimuli (Sensibilität für subtile Reize): Hochsensible Menschen bemerken oft Nuancen, die anderen entgehen, wie Tonänderungen in der Stimme oder kleinste Veränderungen in der Umgebung. 


Hochsensibilität als Chance in einer rauer werdenden Welt  

Auch wenn Hochsensibilität manchmal als Belastung empfunden wird, birgt sie viele Vorteile. Hochsensible Menschen bereichern ihre Umgebung durch ihre Feinfühligkeit, ihren Sinn für Ästhetik und ihre ausgeprägte Intuition. In sozialen Beziehungen können sie tiefere Verbindungen aufbauen, weil sie Stimmungen und Emotionen anderer intuitiv verstehen. Im öffentlichen Diskurs wächst mehr und mehr Verständnis für die Persönlichkeitseigenschaft der Hochsensibilität. In einem Pilotprojekt hat Neuseeland beispielsweise die „Quiet Hour“ in der Supermarktkette Countdown eingeführt – eine Stunde Zeit, in der hochsensible Menschen in ruhiger Atmosphäre, ohne Hintergrundmusik oder ablenkende Marketingmaßnahmen einkaufen gehen können.  

Fazit

Sofern Mitmenschen, Umgebungen und hochsensible Personen selbst ihre Wahrnehmungsfähigkeit als Chance erleben können und Möglichkeiten des Rückzugs schaffen, kann diese Fähigkeit einen echten Unterschied machen, in dem feinfühliges Miteinander, gutes Zuhören und scharfsinniges Denken möglich werden. Voraussetzung hierzu ist eine gesunde Balance aus Reizen und Rückzug.


Mehr zu Strategien des Umgangs mit Hochsensibilität lesen Sie in unserer Buchempfehlung.  

 


Quellen


Aron, E. N. (1996). The Highly Sensitive Person: How to Thrive When the World Overwhelms You. http://perpus.univpancasila.ac.id/index.php?p=show_detail&id=124394

 

Sohr, S. (2024). Berührt bleiben Das Geheimnis der (Hoch-) Sensibilität. Mosaicstones.

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